Anlass der geplanten Neuregelung der gesetzlichen Grundlage für Organspenden sind die seit Jahren niedrigen Spenderzahlen. Der Deutsche Bundestag beriet daher im Anschluss an eine allgemeine Orientierungsdebatte von Ende letzten Jahres am Mittwoch, den 26. Juni 2019, in einer fraktionsoffenen und teilweise emotionalen fast zweieinhalbstündigen Debatte erstmals über zwei konkurrierende Gesetzentwürfe, die jeweils von Abgeordneten verschiedener Fraktionen unterstützt werden, sowie über einen Antrag der Fraktion der AfD.

Die Gruppe von Abgeordneten um die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Annalena Baerbock, hat mit ihrem Gesetzentwurf eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende zum Ziel. Danach sollen Bürger die Möglichkeit erhalten, ihre Entscheidung über ein Online-Register einfach zu dokumentieren sowie jederzeit zu ändern und zu widerrufen. Darüber hinaus soll die Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende künftig auch in den Ausweisstellen möglich sein und bei Bedarf sollen die Hausärzte ihre Patienten alle zwei Jahre zu diesem Thema beraten und zur Eintragung in das Register ermutigen.

Daneben verfolgt die Gruppe von Abgeordneten um unseren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie den SPD-Gesundheitsexperten Professor Dr. Karl Lauterbach – darunter auch meine Person – mit ihrem Gesetzentwurf das Ziel einer doppelten Widerspruchslösung bei der Organspende. Danach gilt jeder Bürger, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat, als möglicher Organ- oder Gewebespender. Sofern den nächsten Angehörigen zugleich kein entgegenstehender Wille bekannt ist, gilt die Organentnahme als zulässig. Überdies ist die Erstellung eines Registers vorgesehen, in dem Bürger ihre Erklärung eintragen lassen können.

Umfangreiche Aufklärungs- und Informationskampagnen zur Bekanntmachung der neuen Regelungen sind in beiden Gesetzentwürfen vorgesehen.

Darüber hinaus verlangt die Fraktion der AfD in ihrem Antrag eine Vertrauenslösung für die Organspende. Danach sei Voraussetzung einer Steigerung der Spenderzahlen Vertrauen in das dafür geschaffene System. Auf Grundlage dieses Vertrauens könne sodann eine freie Entscheidung in Kenntnis der medizinischen Vorgänge getroffen werden. Nicht zu mehr Transparenz, sondern im Gegenteil zu mehr Skepsis habe die letzte Änderung des Transplantationsgesetzes geführt. Wesentlich sei insoweit, dass das gesamte Verfahren der Organauffindung und – vermittlung neben einer Regelung durch nichtstaatlich gebundene Organisationen auch der Kontrolle durch diese unterliegt. Gefordert wird daher unter anderem die Übertragung der Aufsichts- und Kontrollpflicht über die Koordinierungsstelle und die Aufsicht über die Vermittlungsstelle auf eine unabhängige öffentlich-rechtliche Institution.

Die Frage, wie man mit dem Thema Organspende umgeht, ist meiner Meinung nach eine sehr persönliche und private Entscheidung. Ich persönlich halte es – insbesondere in Anbetracht der bedrückenden Lage eines Spendertiefststandes, der Zahl der unnötig leidenden und sterbenden Menschen sowie der Tatsache, dass bisherige Versuche, die Zahl der Organspender zu erhöhen, nicht zum Ziel geführt haben – für durchaus vertretbar, dass sich jeder Mensch zumindest einmal im Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzt. Es soll selbstverständlich werden, sich mit diesem so wichtigen Thema auseinanderzusetzen, ohne dabei zugleich den Schutz der Selbstbestimmung der Menschen aus den Augen zu verlieren. Dies vereint die sogenannte doppelte Widerspruchslösung meiner Meinung nach in sich. Wichtig ist mir dabei, dass ich darin keinen Zwang zur Organspende sehe – insbesondere muss niemand seine Entscheidung begründen und selbstverständlich kann man jederzeit seine Entscheidung ohne Angaben von Gründen ändern – allerdings ist es mündigen Bürgern meiner Auffassung nach zuzutrauen und nach dem zuvor Gesagten auch zuzumuten, ein „Nein“ aktiv auszusprechen, sofern dadurch die Möglichkeit gegeben wird, die Zahl der lebensrettenden Spenden deutlich zu erhöhen.