Am Montag, den 21. März 2022, hat der Ausschuss für Gesundheit im Deutschen Bundestag zu einer öffentlichen Anhörung bezüglich der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Covid-19-Virus geladen.

Expertinnen und Experten wurden im Anschluss an ihre schriftlichen Stellungnahmen zu den fünf Gesetzesinitiativen beziehungsweise Anträgen befragt, über die die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bereits am Donnerstag, den 17. März 2022, im Plenum debattiert hatten. Die Gruppen von Abgeordneten und die Fraktionen, die Gesetzesentwürfe und Anträge gestellt hatten, luden neben Sachverständigen aus der medizinischen Theorie und Praxis sowie Vertreter*innen von Ärzte- sowie Gesundheitsverbänden ein, die allesamt online zugeschaltet wurden. Darüber hinaus waren verschiedene Rechtswissenschaftler*innen digital zugeschaltet, die ihre Einschätzung abgegeben haben. Insgesamt dauerte die öffentliche Anhörung mehr als 3 Stunden.

Beinahe ebenso kontrovers, wie die Diskussionen im Bundestagsplenum verliefen, fielen auch die Stellungnahmen der juristischen Sachverständigen aus. Einige der anwesenden Juristen hielten die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren zum momentanen Zeitpunkt für nicht verhältnismäßig. Ein solches Gesetz sei entsprechend verfassungswidrig und würde vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Dementgegen gab es Stimmen, die den von der Verfassung vorgesehenen Einschätzungsspielraum des Parlaments betonten, welcher die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht auch zum derzeitigen Zeitpunkt gestatten würde.

Ein Konsens herrschte darüber, dass man im Vorhinein eine sorgfältige Analyse eines potentiellen Gesetzes hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit durchführen sollte.

Es müsse unbedingt verhindert werden, dass Gerichte die Entscheidung über eine mögliche Impfpflicht treffen und nicht der Gesetzgeber, was die Glaubwürdigkeit des Parlamentes und die Akzeptanz der – im Detail wie auch immer gearteten – Maßnahme untergraben würde.

Auch bei den Verbänden herrschte Uneinigkeit über den Umgang mit einer allgemeinen Impfpflicht. Obwohl eine Mehrheit den Vorteil der mit einer allgemeinen Impfpflicht einhergehenden Entlastung des Gesundheitssystems hervorhob, positionierten sich einzig die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte klar für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Die anderen Verbände, ebenso wie einige unabhängige Sachverständige, z.B. Prof. Dr. Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Institut für Infektionsforschung, gaben zwar Stellungnahmen ab, wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass sie lediglich beratend tätig sein könnten. Eine Entscheidung müssten aber letztendlich die Abgeordneten treffen.

Von verschiedener Seite wurden auch praktische Bedenken geäußert, vor allem hinsichtlich einer möglichen administrativen Überlastung der Krankenkassen, sofern diese wie geplant mit der Umsetzung der allgemeinen Impfpflicht betraut würden.

Dies gelte sowohl für die Durchsetzung der Impfpflicht als auch für mögliche verpflichtende Aufklärungen und Beratungen vonseiten der Krankenkassen, die in einigen der Gesetzentwürfe beziehungsweise Anträge vorgesehen sind.

Zusammenfassend hat hat mir diese Anhörung deutlich gezeigt, dass man sich bevor man ein Gesetz über eine mögliche allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen, für alle über 50-jährigen, oder über einen Impfvorsorgemechanismus verabschiedet, klar werden sollte, welche Stoßrichtung man mit diesem Gesetz verfolgt werden soll.

Wir als Parlamentarier müssen uns daher zunächst fragen, ob das Ziel des Gesetzes der Schutz einer bestimmten, besonders gefährdeten Gruppe sein soll oder ob man das Gesundheitssystem und seine Mitarbeiter vor einer Überlastung bewahren will oder ob man einen erneuten Lockdown im kommenden Winter verhindern möchte.

Im Anschluss an diese grundlegenden Überlegungen kann man dann bewerten, inwiefern ein vorgeschlagenes Gesetz aus medizinischer und praktischer Sicht den jeweiligen Zielvorgaben gerecht werden könnte und ob ein solches Gesetz verfassungskonform wäre. Am Ende geht es darum,  die beste Entscheidung in Ihrem Interesse – dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger – treffen zu können.