Am Mittwoch, den 6. April 2022, haben wir im Deutschen Bundestag nach der Regierungsbefragung und der Fragestunde im Plenum zwei jeweils einstündige Debatten geführt.

Die Aktuelle Stunde zum Thema „Zu den von russischen Truppen verübten Massakern an ukrainischen Zivilisten in Butscha und die sich daraus ergebenden Konsequenzen“ thematisierte die Gräueltaten der russischen Armee im Kiewer Vorort Butscha. Nach dem Abzug russischer Truppen aus dem Raum um die ukrainische Hauptstadt Kiew bot sich in der kleinen Stadt Butscha ein Schreckensbild. Foto- und Videoaufnahmen zeigten getötete Zivilisten auf der Straße. Es handelt sich Medienberichten zufolge um mehr als 300 Menschen.

In der Debatte hob einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zugleich der Vorsitzende unserer Landesgruppe Schleswig-Holstein, Dr. Johann Wadephul, ganz klar hervor:

Der Schluss muss doch sein, dass wir in dieser Situation wirklich alles tun, was in unseren Möglichkeiten steht – in der Tat unterhalb einer formellen Beteiligung der NATO und der Bundeswehr –, dass dieser Krieg von den Ukrainerinnen und Ukrainern gewonnen wird, dass sie sich erfolgreich verteidigen können. […] Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir auf diesem bürokratischen Niveau [bei der Unterstützung der Ukraine] die ganze Geschichte am Ende kaputt machen wollen, dann sagen Sie das bitte ehrlich! […] Deswegen sage ich: Diese Bundesregierung muss aus der Unentschiedenheit herauskommen. Sie muss sich klar bekennen. Sie muss eine Führungsrolle einnehmen. Sie muss wissen, wo sie steht in dieser Situation, und erst recht nach Butscha: an der Seite der Ukraine, an der Seite der Menschlichkeit. […].

Die zweite Debatte war eine vereinbarte Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina. Der Krieg in Bosnien-Herzegowina begann am 4. April 1992 mit der Belagerung der Hauptstadt Sarajevo und endete im November 1995 mit der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben, rund 100.000 kamen ums Leben.

So sprach auch mein Kollege Michael Brand von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und arbeitete schon zu Beginn seiner Rede zentrale Parallelen heraus und analysierte vollkommen richtig:

Nicht der Krieg des russischen Diktators Putin gegen die Ukraine ist der erste große Krieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Der erste Krieg war der des nationalistischen serbischen Diktators Milosevic gegen Bosnien, gleich nach seinen Kriegen gegen Kroatien und Slowenien. Es war ein Völkermord.
[…] während Bosnier zu Tausenden selektiert, teils wie mit Judenstern markiert und systematisch vernichtet wurden, hat Europa viel geredet, wenig getan und war unfähig zum Handeln. Der Vertrag von Dayton hat sogar die Völkermörder und Extremisten gestärkt, die Demokraten verdrängt und den Frieden fragil gemacht. Milosevic fühlte sich als Sieger, begann den nächsten Genozid, dieses Mal gegen Kosova, das Kosovo. Bis heute verehrt der serbische Präsident Vucic diesen Kriegsverbrecher Milosevic – dessen Propagandaminister er war. Von Dodik in Bosnien über Vucic in Serbien bis Putin in Russland gibt eine gefährliche, kriegsfähige Achse. Liebe Kolleginnen und Kollegen, schlimm ist nicht nur, dass der russische Botschafter in Sarajevo dieser Tage den Bosniern öffentlich mit dem Schicksal der Ostukraine gedroht hat, falls sie sich für den Westen entscheiden; schlimm ist, dass wir so schwach sind, dass dieser Mann sich das traut.

Und ich frage uns: Wollen wir so weitermachen? Wollen wir warten, bis Putin und seine Proxies, seine Komplizen, die Extremisten von Vucic bis Dodik und Covic, den Balkan von der jetzigen Krise in den nächsten Krieg stürzen? Mit einem kleinen Funken, den es gerade noch braucht? Als unsere neue Außenministerin in Sarajevo war, haben viele viel erhofft. Und viele waren auch am Ende sehr enttäuscht über tönerne Sätze, über oberflächliche Symbolpolitik. […]

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir dieses Mal bitte früher wach! Hören wir endlich denen in Bosnien-Herzegowina zu, die einen normalen europäischen Staat wollen. Stoppen wir alle faulen, gefährlichen Kompromisse mit gefährlichen Extremisten, die enge Kontakte nach Moskau und anderswohin pflegen. Es wäre richtig und wichtig für den Frieden – und eine Premiere: Es wäre das erste Mal, dass Europa nicht zu spät kommt. Deutschland, Baerbock und Scholz, tragen hier große Verantwortung. Wir setzen auf Ihre Einsicht.

Insgesamt waren zwei sehr umfassende, aber auch sehr sehenswerte Debatte, die auf Grund auch des historischen Vergleichs ein Mahnmal für uns sein muss. Die Debatten können von der nachfolgenden Webseite des Deutschen Bundestages abrufen können: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw14-de-aktuelle-stunde-ukraine-889104 und https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw14-de-bosnien-herzegowina-886560.