Als „äußerst besorgniserregend“ bezeichnet die Bundestagsabgeordnete Petra Nicolaisen die Entwicklung der Corona-Pandemie im Kreis nach einem Gespräch mit dem Leiter des Kreisgesundheitsamtes Dr. Kai Giermann.

„Der „Wikingerhof“ in Kropp, das Berufsbildungszentrum in Schleswig und jetzt auch noch ein Kindergarten in Angeln – die Infektionszahlen liegen bundesweit heute schon 4.000 über dem Höchstwert von 36.000 der ersten Welle“, so die Bundestagsabgeordnete. „Das eigentliche Problem ist aber der exponentielle Anstieg der Corona-Fälle. Dieser ist bundesweit zu sehen, der Gipfel vom Frühjahr ist bereits überschritten. Mit einem bundesweiten R-Faktor von 1,3 ist rechnerisch eine Verdoppelung der Fälle innerhalb von etwa 3,5 Tage zu erwarten. Auch im Kreis Schleswig-Flensburg nehmen die Fälle beängstigend zu. Ich kann daher nur an die Vernunft aller appellieren: Vermeiden Sie Übertragungswege und übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Mitmenschen. Es liegt an jedem, sein Verhalten anzupassen. Alles, was man nicht dringend zum Leben braucht, wie Reisen, Feiern oder unnötige Kontakte, muss eigenverantwortlich eingeschränkt werden.“

„Die Lage ist nur mit einem ausschließlich an der Seuchenhygiene orientiertem, lösungsausgerichtetem Vorgehen und einer örtlich verantworteten, dezentralen und hochwirksamen Kommandostruktur zu beherrschen“, zeigt sich Dr. Giermann überzeugt. „Der Zeitgewinn ist alles. Man muss handeln, bevor die Lage eintritt und nicht der Seuche hinterher arbeiten. Deshalb haben wir auch das gesamte BBZ geschlossen und testen erst danach den Einzelnen. Außerdem wäre eine Verordnung, besser eine förmliche gesetzliche Grundlage sinnvoll, welche dem Kreisgesundheitsamt im Pandemiefall quasi die Oberhoheit mit Anweisungsbefugnis über alle medizinischen Kräfte im Kreis erteilt. Wenig hilfreich sind dagegen ständig neue Anweisungen und Verlautbarungen weiterer Behörden und Institutionen mit einer Latenz von mehreren Tagen und fehlenden Möglichkeiten zur stringenten Umsetzung. Das Land muss sich für künftige Pandemien wappnen und eine einheitliche Seuchen-Software einführen. Womit wir täglich arbeiten müssen, ist nicht der Situation entsprechend leistungsfähig, einiges selbst programmiert oder zum Teil hoffnungslos veraltet. Entsprechende Aktivitäten wurden bereits eingeleitet, kommen für diese Pandemie jedoch zu spät.“

Kritisch beurteilt der Chef des Gesundheitsamtes auch verschieden Schnelltests. „Es gibt dabei zu viele falsch-negative Testergebnisse“, so Giermann. „Hier rutschen vier bis sechs Prozent oder mehr aufgrund des Testverfahrens und der Qualität der Probenentnahme durch; auch ist die Testung komplizierter als ein DNA-Test. Man benötigt hochgradig geschulte Mitarbeiter und hochgradige Sicherheitsvorkehrungen. Die Schulkantine ist damit schon einmal ausgeschlossen. Das alles konterkariert den ´Schnell`-Test.“ Lobend äußert sich Giermann über die Zusammenarbeit und Hilfen der Kreisverwaltung in der bisherigen Krise. „Wenn wir etwas brauchen, bekommen wir unbürokratische Hilfe und die sofort. Das ist längst nicht überall selbstverständlich.“